Dienstag, 1. August 2017

Rolf Peter Sieferle - "Finis Germania"

Das Büchlein (11 x 15,5 cm) ist in aphoristisch knappem Stil geschrieben, kritisch vom ersten Absatz bis zum letzten Kapitel. Rolf Peter Sieferle betreibt Geschichts-Forschung und -Interpretation. Er hat sich ein gewaltiges Thema vorgenommen: Das Ende der Geschichte Germaniens, komprimiert auf 100 Seiten. Kein Platz für Schnörkel oder Geschwafel. Wie kommt es, daß sein Werk so viel Haß und Ausgrenzung bei linken Mainstream-Medien und deren Verantwortlichen hervorruft? Bis zur Seite 62 war ich fasziniert und begeistert; ab dem Kapitel III. "Mythos VB" (VB = Vergangenheits-bewältigung) wurde das Traktat für mich beim Lesen sehr kompliziert. Der Themenbereich "VB", und damit "Auschwitz", "Holocaust", "Nationalsozialismus" ist total minenverseucht -- hier sich "falsch" oder mißverständlich auszudrücken kann gefährlich sein. Ist dem Autor zum Verhängnis geworden, daß er zu keck oder vielleicht waghalsig den Themenbereich angegangen ist? Ich habe genau gelesen und komme zu dem Schluß, daß Sieferle weder ein Alt- noch Neo-Nazi ist und auch den Holocaust nicht leugnet noch relativiert. Aber: Er ist political NON correct, folgt nicht den Parolen von SPD-, CDU- oder Grünen-Politikerinnen oder von bürgerlichen Leitartiklern. °°° Was Sieferle übel genommen wird, ist die -scheinbar mißverständliche- Art, wie er sich als Schriftsteller auf mit Stacheldraht, Selbstschußanlagen u.ä. versehenem Gelände bewegt. Sieferle ist ein Ent-Zauberer. Bevor er zum gefährlichsten Teil seiner Abrechung kommt, hat er bereits beim "Sozialdemokratismus", "Relativismus" und anderen Topoi bürgerlicher Politik und Geschichts-schreibung aufgeräumt - von einer denkbar hohen Warte aus. Damit meine ich nicht eine arrogante Sicht, sondern eine weite, das normale Maß übersteigende Bewußtseins-Warte. Ich behaupte: Der Schriftsteller verletzt mit seinem kritisch-rationalen Sturmlauf die Eitelkeiten mancher Geschichts-Wissenschaftler und links-bürgerlicher Feuilletonisten. So etwas würden sich diese Damen und Herren niemals erlauben, allein aus Respekt vor der Autorität der political correctness. Der Ent-Zauberer Sieferle könnte dazu anstiften, bestimmte politische Mythen furchtloser als üblich zu betrachten. Er ist ein Subversiver - im Gewand des bürgerlichen Geschichtsforschers und -interpreten. Seine Brillanz wurde Sieferle zum Verhängnis.
Man kann das Buch nach wie vor kaufen und lesen. Ich empfehle es.
                                                                                                                °° RS °° 

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