Dienstag, 12. Januar 2016

Kommune 2


Untertitel "Versuch der Revolutionierung des bürgerlichen Individuums"
Das Buch erschien 1969 - ich lese es erst jetzt, nachdem ich mich in den siebziger Jahren viele Jahre mit dem Thema Kommune befasste - theoretisch, aber vor allem praktisch: als Mitglied der AAO des Otto Mühl. ** "Kommune 2" ist ein ungeschminkter Entwicklungs-Roman - OHNE literarischen Anspruch. Und genau das macht das Buch interessant. Es will nicht Kunst sein oder ein irgendwie ästhetisches Produkt. Es steht, mit den Aktionen der Kommune 1, am Beginn einer Bewegung, die am INDIVIDUUM mit seinen Störungen, Ängsten, neurotischen Verhaltensweisen ansetzte. Auf gut 300 Seiten sind Berichte, Analyse-Protokolle, Interviews abgedruckt, die alle um die Frage kreisen, ob und wie eine Änderung der Lebensform, d.h. Aufbau von Alternativen zur bürgerlichen Kleinfamilie, den Alltag revolutionieren kann - könnte. Die (zeitweise) vier Männer, drei Frauen und zwei Kinder kannten sich über den SDS (Sozialistischer Deutscher Studentenbund). Minutiös werden der Alltag und die Probleme eines mutigen Versuchs protokolliert. Die Leute orientierten sich an Wilhelm Reich, Reimut Reiche und anderen Protagonisten des SexPol der 30-er Jahre. Horst-Eberhard Richter  (1923-2011) wird erwähnt, auch Ferenczi. Auch wenn es nicht gelang, über den Ansatz hinaus ein funktionierendes Kommune-Modell zu entwickeln - sinnlos waren die Versuche der Kommune 2 nicht. ** Die letzten Kapitel mit Berichten von Analysen, wo sich die Analysanden auf eine Matratze legten, mit Beschreibungen von Charakterpanzern und ihren psychischen und körperlichen Ausprägungen erinnern an die AAO (Aktionsanalytische Organisation). Die AAO trat Anfang der 70-er Jahre an und wusste scheinbar Lösungen auf all jene Probleme, an denen die Kommune 2 scheiterte. *** Einer der Kommune 2-Aktivisten war Jan-Karl Raspe, der später zur RAF ging und zum Führungs-Quartett gehörte. ** Von den Ansätzen der Kommune 2 ist in der linken Szene so gut wie nichts übrig geblieben. Man darf sich durch den radical chic und elitären Hedonismus gewisser Linker nicht ins Bockshorn jagen lassen. Die heutigen Linken sind konformistisch und leben Klischees. Literarisch sind sie besser als die damaligen K2-Protagonisten - na UND? 
                                                                                                                     *RS*     

Keine Kommentare: