Dienstag, 22. Dezember 2015

Jacob Augstein "Die Tage des Gärtners"

Im Vorwort wird versprochen "Dies ist ein Buch über die Liebe zur Natur und über die Sehnsucht des Städters, ein Buch für den Gartenliebhaber jeden Alters und jeden Wissenstandes." Dies Buch thematisiert die Arbeit im Garten, versucht darüber hinaus jedoch noch weitaus mehr zu sein. Der Einleitung ist ein Zitat von Heinrich von Kleist vorangestellt. Im weiteren Verlauf der Plaudereien werden munter immer mehr Dichter, Schriftsteller, Musiker, Ornithologen und sonstige kluge Menschen mit Zitaten eingebracht: Bertold Brecht, Leo Lionni, Nikolaus Harnoncourt, Hölderin, Rilke, John Stuart Mill, Thomas Bernhard etcetc. Augstein glänzt mit einer Fülle an Wissen über Pflanzen, deren Behandlung in den verschiedenen Jahreszeiten, und weil ihm das offenbar zu wenig war, macht er eine Art Bildungs-Roman aus seinem Buch. Da finden sich aneinandergereihte Belanglosigkeiten wie "Von Natur aus, wie gesagt, wächst im Garten nichts. Nicht einmal Unkraut." (S. 33), ab und an kraftmeierische Gespreiztheiten: "Es gibt ja Leute, die meinen, ein Gespräch über Laufenten sei gleichsam ein Verbrechen, weil es ein Schweigen über so viele Untaten einschließe" (S. 12). Mit dieser Variation auf Gedichtzeilen von Erich Fried beweist der Autor sich und dem Leser einen hohen Grad an Bildung - aber es hätte dem Buch gutgetan, diesen Anspruch präzise zu formulieren und nicht wie nebenbei, lässig, dem Thema Natur aufzupropfen. Augstein läßt sich über die Vorbesitzer des Gartens aus, zwei miteinander befreundete und dann verfeindete Orchester-Musiker und ihre Familien. Er schließt von diesen Menschen auf den Zustand des Gartens. Statt dieser Spekulation, die etwas sehr Indiskretes hat, hätte ich mir gewünscht, Augstein hätte über sich und seinen Anspruch geschrieben, seine Motivation, dieses Buch zu machen und das Risiko einzugehen, es zu überfrachten. - "Herrschaft über die Natur, das ist eine Mission, die wir niemals erfüllen können" behauptet der Autor auf Seite 85, er erwähnt die Bibel und ergeht sich in Spekulationen über die Unendlichkeit und Unfaßbarkeit der Natur, verhalten schwärmerisch bis bildungsbesessen; auf den Seiten 88 und 89 werden, in lockerem Plauderton, die Herren Petrarca, Cezanne und der mir unbekannte Dramatiker Fritz Kater eingeführt. Das ist ganz nett, ist aber hart an der Grenze, in pseudophilosophisches Geschwafel auszuarten --- die Grenze erweist sich bei Augstein als sehr durchlässig. Richtig ärgerlich wird es für mich auf S. 90, wo behauptet wird "Es gibt nämlich in Deutschland schon lange keine Auwälder mehr, wie sie dem Biologen vorschweben. Generationen von Ingenieuren haben Donaus, Rgein und Elbe in immer engere Betrten gezwängt ..." Ich wohne in Hamburg-Wilhelmsburg, schätzungsweise vier bis fünf Kilometer Luftlinie vom Heuckenlock  entfernt, dem letzten verbliebenen kleinen Auenwald in Deutschland. ** Es hätte Jakob Augstein, aber auch dem Hanser Verlag und dtv, dessen Ausgabe mir vorliegt, gut getan, absolut präzise zu recherchieren, das Manuskript genau zu lektorieren bzw. das Buch erneut zu lesen. ** Ich las bis S. 138, dann ist mir die Lust vergangen. Jakob Augstein hat in sein rund 260 Seiten dickes Buch "Die Tage des Gärtners" Stoff für wenigstens fünf weitere Bücher gepackt. 
                                                                                                                                                  *RS*

 

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