Donnerstag, 23. Juli 2015

Friedrich der Große - Ausgewählte Schriften

 Friedrich II. (1712-1786), Beiname "der Große", war ein hochgebildeter Mann, sehr auf französische Kultur getrimmt - zu Hause wurde französisch gesprochen. Deutschland war damals ein aus vielen Fürstentümern bestehendes kohärentes Gebilde. Friedrich lenkte die Geschicke Preußens, ein absolutistischer Herrscher, der auch oberster Militärführer war und Preußen in verschiedene Kriege verwickelte. Friedrich der Große war, etwa während des siebenjährigen Krieges (1756-63), stets bei seinen Soldaten. Dies war ein Grund für seine Volkstümlichkeit und Beliebtheit bis ins vorige Jahrhundert. Die Nazis versuchten ihn propagandistisch zu instrumentalisieren - ein mit viel Aufwand betriebener, aber zum Scheitern verdammter Versuch. Der "große Fritz" brach zwar Kriege vom Zaum (im 18. Jarhundert normal für jeden Herrscher), verfügte aber ansonsten über Qualitäten, die mit nationalsozialistischen Idealen nicht übereinstimmten. *  Die in diesem  Buch gesammelten Texte machen deutlich, wie der Mann zu einer Legende werden konnte. Manches klingt naiv und schlecht informiert, etwa sein "Antimachiavell", mit dem er den Schriften Machiavellis ("Der Fürst") widersprach. Friedrich wollte ein guter König und Herrscher sein und beliebt -     M.'s Beschrei-bungen erschienen ihm wie verbrecherischer Verrat - dabei gab Machiavell nur wieder, was Herrscher tatsächlich taten und dachten. Sie scheuten keine Tricks, falsche Versprechungen, Maskeraden und Vernichtungswillen. Ich las das Buch mit einigem Vergnügen - dabei an meinen Vater denkend, für den Friedrich eine Art Leitfigur war. Maßgeblich dafür waren Eigenschaften wie Fleiß, Ehrlichkeit (obschon "Friedrich der Große", ganz Staatsmann, nicht immer ehrlich war), sowie Treue zu seinem Volk und seinen Angehörigen. Natürlich wissen wir heute, daß "Fritz" auch Fassade war, so wie alle Staatsoberhäupter und Fürsten. Er war kinderlos und Frauen nicht sonderlich zugeneigt, trotz Heirat. Seinen staatsmännischen Talenten tat dies keinen Abbruch - vielleicht im Gegenteil: Er konnte sich ganz auf seinen Dienst am Volk konzentrieren. Und war zudem sehr gebildet, musisch interessiert (spielte sehr gut Querflöte und komponierte auch) und befreundet mit dem französischen Philosophen und Schriftsteller Voltaire, der einige Jahre in seiner Nähe in Berlin lebte. ** Friedrich der Gutartige. So typisiere ich ihn für mich - und komme der Vorbild-Rolle damit etwas näher, die er für meinen Vater hatte. Die Wunschvorstellung, daß Staat und Volk eins seien - wie eine große Familie. Ähnliches strebte Friedrich an. Er schreibt in runder, farbiger Sprache - keineswegs in "Behörden-deutsch". Vieles ist "gut gemeint" - was dadurch nicht automatisch unter das Verdikt der Unfähigkeit fällt (auch wenn alles "Gutgemeinte" heutzutage so eingeschätzt wird.). * Mit deutscher Kultur und zB deutschen Schriftstellern des frühen und mittleren 18. Jahrhunderts befasste Fr. sich praktisch nicht. Er polemisierte gegen Goethes "Götz von Berlichingen", las aber offenbar keine anderen Schriften von ihm. Auch Herder, Schiller, Wieland, Lessing finden nirgendwo in Friedrichs Aufzeichnungen Erwähnung (s. Nachbemerkungen Hermann Korte). Trotzdem war er hochgebildet - nur er las vor allem französische Schriftsteller. Von Shakespeares Theaterstücken spricht er als von "abscheulichen" (S. 236). Wahrscheinlich gab es damals noch viele anderen bedeutende Persönlichkeiten, Staatsmänner usw., die mit ihren Einschätzungen daneben lagen. ** Ein guter Trivial-Schriftsteller. Und das als Staatsmann und Politiker, der sich, vorsichtig ausgedrückt, über Aufgaben, Probleme und Arbeit nicht belagen konnte. Als Persönlichkeit in meinen Augen sehr respektabel. Zwischen Politik im 18. Jahrhundert und heute klaffen Welten - mittlere Universen. Industrielle und technische Revolution, die Quantensprünge der Wissenschaften, die unheimliche Weiterentwicklung der Informations-Technologie - all dies  gab es zu Friedrichs Zeiten noch nicht.. 336 Seiten, für 1 € verramscht.


In der aktuellen Ausgabe des Wochenblatts "Der Freitag" vergleicht Nils Markwardt Angela Merkel mit dem Preußenkönig. "Friedrich II. wusste, wie man Gefühlspolitik betreibt. Heute soll dies der Bürgerdialog der Kanzelerin leisten." Markwardt spricht von einem "emotional turn", den der Preußenkönig vollführte. Friedrich vollzog ein Konzept der "empathischen Herrschaftskom-munikation" und "kultivierte eine Politik der Empathie", um Macht auszuüben über Menschen, die ihm "aus Liebe gehorchen, aus Erkenntlichkeit dienen". Ich finde die Bemerkungen des "Freitag"-Autors spannend und interessant und die Heranziehung des Empathie-Begriffs geschickt und zutreffend. Nicht nur auf Friedrich den Großen, sondern, vor historisch anderem Hintergrund, auch auf Angela Merkel. 
                                      *RS*    

 


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