Samstag, 19. Juli 2014

Noam Chomsky - über Intellektuelle

2008 erschien das Buch absolute Noam Chomsky (herausgegeben von Klaus Theweleit) mit einem Interview und Aufsätzen wie "Annahmen und Ziele" (1964 - über Linguistik), "Gleichheit" (1976), "Über den Widerstand" (1967), "Bemerkungen zum Anarchismus" (1970) u.a. brillante wie kritische Beiträge. Der Reader enthält auch ausführliche biografische Hinweise, welche die intellektuellen - politischen - schriftstellerischen Etappen des Wissenschaftlers (und Dichters) beleuchten.  ** Aus dem Interview möchte ich ein paar Sätze wörtlich zitieren, die mir besonders zu denken geben: "Die USA brauchen keine EU. Sie sind schon homogen. Eine Sprache, eine Kultur, und mit Ausnahme des Bürgerkriegs gab es keine Kriege innerhalb der USA. Warum? Was ist der Unterschied zwischen den Vereinigten Staaten und Europa?" - "Europa zerfleischte sich erst einmal in zwei großen Weltkriegen." (K.Th.) - "In den USA wurde die eingeborene Bevölkerung ausgelöscht. Nehmen wir an, Deutschland hätte die Bevölkerung der slawischen Länder ausgelöscht, dann würden Sie sich heute auch keine Gedanken über die EU machen. Dann wäre alles homogen und friedlich." - "Dann ist die Zivilisation der Vereinigten Staaten identisch mit der Auslöschung der eingeborenen Völker?" (K.Th.) - "Man ist mit ihnen etwa so umgegangen, wie Deutschland das gerne mit den Slawen getan hätte. ... Im New York Times Book Review ...  hieß es, dass bei der Besiedlung des Kontinents mehrere Hunderttausend Indianer eliminiert wurden. Nun, da liegt er falsch, und zwar zum den Faktor zehn. Es waren mehrere Millionen Amerikaner. "Eliminiert" ist übrigens auch ein interessantes Wort in diesem Zusammenhang. Nehmen wir einmal an, Sie lesen in einer der führenden Zeitungen in Deutschland, dass im Verlauf des Zweiten Weltkriegs mehrere hunderttausend Juden eliminiert wurden, wie würden dann die Menschen reagieren?" - "Die sechs Millionen sind schon eine fest fixierte Zahl. Von den 50 Millionen eingeplanten zu tötenden Russen sprechen allerdings nur wenige". (K.Th.) - "Aber das hier ist eine Gesellschaft der Sieger, Deutschland war eine Gesellschaft der Verlierer. Sie müssen also den Tatsachen ins Gesicht sehen. In den USA braucht man das nicht. ... Kann man sich vorstellen, dass die "Luftwaffe" ihre Waffensysteme "Jude" und "Zigeuner" nennt, ist das denkbar?" - "Die Bundeswehr?" (K.Th.) - "Ich meine, kann man sich das vorstellen? Hier gibt es "Apache Helikopter", "Black Hawk Helikopter", "Tomahawk Missiles" und so weiter, das sind alles Opfer eines Völkermords." - "Ja. Staaten sind Mörder. Menschen werden umgebracht. Und wenn man siegreich ist, kommt man damit durch." (K.Th.) ... "Es gibt viele Aspekte. Man kann Ländern nicht einfach eine Note geben wie Studenten in einem Examen. Es gibt zu viele Aspekte, aber in vielerlei Hinsicht sind die USA ungewöhnlich gut. Zum Beispiel sind sie das freieste Land der Welt. Die freie Meinungsäußerung wird in den USA in einem Ausmaß geschützt, wie man sich das in Europa nicht eiunmal vorstellen kann.  Etwas Vergleichbares gibt es nirgends.  ... Und dann gibt es in der allgemeinen Kultur eine Art des formlosen Umgangs und einen Mangel an Autoritätsgläubigkeit - ganz anders als in Europa". ** Die blauen Hervorhebungen stammen vom Blogger. Chomsky wirft deutschen Intellektuellen vor, autoritätsgläubig, unterwürfig zu sein. Das Interview ist in meinen Augen sehr radikal und kritisch - aber nachvollziehbar und ehrlich. C. hat nichts zu vertuschen. Ich kann das Buch nur wärmstens empfehlen. Einige Artikel sind relativ leicht les- und "konsumier"bar, andere erfordern höchste Konzentration und Mitdenken. Mir erschließt sich der Sinn und Gehalt erst nach mehrmaliger Lektüre. Gut, daß es auch solche Aufsätze gibt. ** Das Buch erschien bei orange press, Freiburg, hat 224 Seiten, enthält etliche Fotos und Grafiken, die isbn lautet 978-3-936086-16-8. Den Preis weiß ich nicht.  *RS* 

 

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