Mittwoch, 30. Juli 2014

Antimilitarismus - De Maskers

                                                       
Im Sommer 1974, also vor 40 Jahren, wurde ich von der Bundeswehr entlassen, nach Absolvierung meines Grundwehrdienstes (15 Monate). Ich diente zuletzt in der 1./75 (Panzerartillerie-Bataillon) in Hamburg-Fischbek. -Die Röttiger-Kaserne wurde inzwischen aufgelöst - auf dem Gelände baut die IBA Luxus-Wohnungen.- Aufgrund meines Status als Kriegsdienstverweigerer kehrte ich als Panzer-kanonier ins Zivilleben zurück. Ich erreichte also nicht einmal den niedrigsten Dienstgrad eines Gefreiten, da ich den Fahneneid verweigerte. Begonnen hatte mein unfreiwilliges Abenteuer in Stade, bei einer Fernmeldeeinheit. Von dort wurde ich nach 2 Wochen versetzt, als sich herausstellte, daß Kriegsdienstverweigerer eine bestimmte Sicherheitsstufe nicht erhielten. Ich landete in Munsterlager, in der Lüneburger Heide, bei der berüchtigten "408", einer Ausbildungskompanie der Panzergrenadiere. Die Grundausbildung war kein Zuckerschlecken, die Unteroffiziere nahmen uns ziemlich hart ran. Unser Bataillonskommandeur, NPD-Mitglied wie allgemein bekannt, pflanzte sich vor uns auf: "Männer, Ihr Dienst ist hart, eine 40-Stunden-Woche gibt es bei uns nicht - aber dafür haben wir die besten Panzer!" Ich absolvierte das übliche Programm: Exerzieren, Nachtmarsch, Schießen mit G3, auf allen Vieren durchs Gelände, Marschierten mit Gasmaske, Schießen mit MG, mit Pistole, auch Uzi usw. Andere KdV'ler (Kriegsdienstverweigerer) waren radikaler als ich. Sie verweigerten den Dienst an der Waffe, einige lehnten überhaupt ihre Dienstkleidung ab. Sie landeten im Gefängnis. Ich hatte keinen persönlichen Kontakt zu, aber eine hohe Meinung von ihnen. Nach sechs Wochen, also der Hälfte der Grundausbildung, ließ ich mich "innendienstkrank" schreiben. Mein Stabsarzt hatte Verständnis für mich, den Kriegsdienstverweigerer. Ich war nun die letzten Wochen mit Reinigungsdiensten beschäftigt. Nach der dreimonatigen Grundausboldung wurde ich wieder versetzt, zur -siehe oben- Panzerartillerie nach Fischbek. Das "1." bedeutet: Ich landete in einer Versorgungs-Einheit, genaugenommen im Ersatzteillager. Dort blieb ich jedoch nicht lange. Ich verweigerte etliche Male meinem Vorgsetzten, einem Stabsunteroffizier, den Gehorsam und landete im Treibstofflager, sprich: Tankstelle. Na, undsoweiter. Der Dienst war lau - außer wenn wir zum Truppenübungsplatz fuhren. Dort waren wir fürs Betanken der Fahrzeuge, sprich LKW's, Panzer, MTW's usw. zuständig. Rund um die Uhr. Und zwar mit Kanistern. Es gab ordentlich zu tun. Im Großen Ganzen fiel ich nicht besonders auf, ein paar Mal verweigerte ich jedoch Befehle. Da auch mein Batterie-Chef, ein Major, Verständnis für mich hatte, kam ich mit glimpflichen Strafen davon: Ausgangssperren, teilweise mit Kantinenverbot. Nur kurz vor der Entlassung haute ich einmal, trotz verschärfter Ausgangssperre, über Nacht aus der Kaserne ab. Gegen die Geldstrafe in Höhe von 800 DM legte ich kurz vor Auszahlung meines Entlassungsgeldes Beschwerde ein. Sie konnte nicht mehr bearbeitet werden, man musste mir also mein Geld auszahlen. Ich hörte erstaunlicherweise nie mehr etwas von der Sache. Wurde meiner Beschwerde stattgegeben? Ich stellte kurz nach der Entlassung einen neuen Antrag auf Kriegsdienstverweigerung. Nun wurde ich gleich in der ersten Instanz anerkannt. Das hatte den Vorteil, daß ich nicht zu irgendwelchen Übungen eingezogen werden konnte. ** Ich sah mich als politischen Überzeugungstäter. Ich engagierte mich während meiner BuWe-Zeit im ADS, was soviel hieß wie "Arbeitskreis Demokratischer Soldaten". Dort waren DKP-Leute dominant, es machten aber auch KPD-ML'er mit. Wir waren in Fischbek eine kleine Gruppe, fünf Leute meistens, wenns hoch kam mal sieben oder acht. Wir trafen uns regelmäßig in einem Gemeindezentrum in der Nähe der Kaserne. Einmal verteilten wir Flugblätter an die Soldaten, die aus dem Wochenende zum Dienst zurückkehrten. Natürlich fielen wir auf und wurden kontrolliert. Ich erfuhr wieder größte Liberalität - mein Batterie-Chef sah von einer Bestrafung ab. Von einem anderen Kameraden, einem Panzergrenadier, hörte ich, daß er bereits am nächsten Tag aufgrund des Flugblattverteilens in eine andere Kaserne versetzt wurde. ** Nach den 15 Moinaten verlor ich ziemlich schnell die Kameraden aus den Augen. Ich habe jedoch ein ausgezeichnetes Personengedächtnis. Mitte der 90-er Jahre saß ich einmal im Abaton-Kino neben einem Mann, an den ich mich sofort erinnerte, da er auch in meiner Einheit gedient hatte. Er hatte einen Gefreiten-Dienstgrad. Ich wusste seinen Namen nicht, erkannte ihn aber sofort. Er fiel aus allen Wolken, als ich ihn fragte, ob er nicht aus 1973/74 in der 1./75 gedient hätte. Wir tauschten unsere Telefon-Nummern aus, aber es kam zu keinem weiteren Treffen. ***
Ich habe schon als Jugendlicher unsere Nachbarn, die Holländer, bewundert. Sie waren viel lockerer als die meisten Deutschen, übrigens auch in Sachen Soldatentum und Verweigerung. Deshalb verbinde ich diese Aufzeichnungen mit einem lustigen, überhaupt nicht ideologischen oder gar verbiesterten Militär-Verweigerungs-Song der niederländischen 60-er Jahre Pop-"Formazie" De Maskers". "Come on boy, join the army".   *RS*

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