Dienstag, 9. Juli 2013

Journalismus im Sommerloch

Im Sommer geht professionellen Schreibern bisweilen der Stoff aus. Politiker sind in Urlaub, Familien verreist - da braucht es den einen oder anderen Hammer, damit die Leute zur Zeitung greifen. Und alle Jahre wieder wird die Geschichte von schlimmen Mißständen in deutschen Pflegeheimen ausgekramt, aufbereitet und dem Zeitungsleser aufs Brot gepackt. Sensations-Journalismus nennt man so etwas. Ich schlage die Hamburger MOPO vom 6.Juli. Auf den Seiten 5 und 6 schreit mir entgegen: EXPERTEN: "Pflege ist wie Folter!" Die MOPO macht Reklame für ein Buch, in dem zwei Pflege-"Experten" 50.000 (!) Zuschriften und Telefonanrufe -meist von verzweifelten und überforderten Pfle-gern- auswerteten. "Wenn wir die Kriterien von Amnesty International zugrunde legen, dann müssen wir bei vielen Mißständen in Pflegeheimen von Folter sprechen", zitiert die MOPO einen der "Exper-ten". *** Ich arbeitete selber von 2005-2008 knapp drei Jahre in einem Wilhelmsburger Alten- und Pflegeheim. Und ich kann mir ein Urteil erlauben über die Arbeit, die dort geleistet wurde. Ich erlebte fast ausnahmslos sehr engagierte Pfleger und Schwestern, in allen Bereichen des Heims, denen unter nicht einfachen Bedingungen das Wohl der ihnen anvertrauten Menschen am Herzen lag. Die Schlag-zeile "Pflege ist wie Folter" ist eine schallende Ohrfeige für all jene, die gute bis ausgezeichnete Arbeit leisten. Sensationsgeiler Journalismus bedeutet, daß Ausnahmen wie die Regel und Mißstände als Normalität ausgegeben werden. Ich kenne das Buch der Pflege-"Experten" nicht. Recherchierten sie seriös - oder schrieben sie einfach nur auf ein Ergebnis hin, das vorher schon feststand? Diese Sorte "Experten" ist bestens bekannt auch aus anderen Bereich. Der Hamburger MOPO möchte ich  die   rote Karte geben für diese Art Journalismus.   **RS**  



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