Samstag, 1. Dezember 2012

Helga Goetze Sophia: Wo sind die Schmetterlinge meiner Kindheit

Das folgende Gedicht ist dem Buch "Zeugnisse eines Aufbruchs - Gedichte aus den Jahren 1970 bis 1973" entnommen.  Hrsg. Metropole Mutterstadt e.V. bei Books in Demand; siehe auch www.helgagoetze.de

Wo sind die Schmetterlinge meiner Kindheit

Wo sind die Schmetterlinge meiner Kindheit,
die bunten Falter über grünen Sprossen,
die Blütengleichen, die in Sommersüße
so zierlich unter meinen Blicken flossen?

Wo sind sie nur; ich kann sie nicht mehr finden,
lieg’ ich zu wenig in dem grünen Feld?
Ich sah den Wolken zu als Kind
und träumte in die Muster meine Welt.

Die Wolken waren Schmetterlinge,
mal gab es einen Kopf und mal ein weites Meer,
mal waren Wolken wie Figuren,
mal war alles aufgelöst so um mich her.

So wie der Schmetterling, der einstens Raupe war
und kroch und kroch und fraß,
und war gebunden an die Erde,
und diese Erde setzte ihm das Maß.

Ob sie schon damals wusste, diese Raupe,
die weiblich in dem Wort sich gibt,
dass sie demnächst als bunter Schmetterling
und männlich diese Welt erliebt?

Wo sind sie nur geblieben, meine Falter,
dieses Wunder der Verwandlungswelt.
das irgendwer vor unsere Augen
als ein Symbol lebendig hingestellt?

Wer bin ich denn, ich armes Menschenwesen,
das hier in wechselnder Gestalt,
mal kindlich klein mit großen Frageaugen,
sich seine Welt in immer neuen Farben malt?

Ich werde groß und wandere weiter,
das kleine Wesen wird zur ausgewachsenen Frau,
es wandelt sich in so verschiedener Weise,
wer definiert die Phasen ganz genau?

Ich war ein Kind, ich wurde groß.
ich hatte feste Normen.
Nun löst sich alles wolkengleich
und fließend gehn die Formen.

Das kleine Kind dort, dieser Mann,
er ist von tiefer Reife.
Der alte Mann dort kindisch dumm
saugt hastig an der Pfeife.

Mal bleibt sie stehn, mal geht sie weiter,
die Uhr im Lebenslauf.
Wie gut wart es als Schmetterling
Im Schweben in der Sonne Ring,
im Gluten einer Sommernacht,
in aller Fülle, aller Pracht
beenden diesen Flug durchs Leben
und fließend in dem Wolkenhauf
und neu sich formen immer heiter
ergeben hin sich gebend.

Helga Goetze Sophia

1 Kommentar:

mater55 hat gesagt…

Wunderschönes Gedicht, welches mir aus der Seele spricht..!