Samstag, 24. November 2012

Lenore Kandel und Hadayatullah Hübsch


In einem Papier-Stapel fand ich u.a. einen Brief von Hadayatullah Hübsch mit einem Gedicht, das er anläßlich des Todes von Lenore Kandel (14.1.1932-18.10.2009) schrieb. Da ich vermute, daß dieser Text bisher unveröffentlicht ist, stelle ich ihn nun auf meine Blog-Seite. – Im selben Brief wies Hadayatullah mich auf das in der Stadtlichter Presse erschienene Heft „Ein exquisiter Nebel“ von Lenore Kande hin (30 S., isbn 978-3-936271-33-1).  * Die beiden Gemälde stammen von mir (2009, 2010); links LK mit einem ihrer Gedichte (1959).  *R.S.* 
Unter http://www.stadtlichterpresse.de/  finden sich u.a. viele Bücher von Beat-AutorInnen.
Jetzt aber Hadayatullah:

AmBeation

Du bist durch diese Tür gegangen,
Wie’n Fisch, der von der Reuse gefangen,
Weiß nicht, wie’s alles angefangen,
Was ist’s, was diese Engel sangen?

Ein langes Bild, in das die Traurigkeit gewoben,
Zwei Seiten einer Liebe, die
Doch ungezählte Sterne, Monde, Sonnen hat,
Ach, diese Erde ist ein Sieb und wir gefallen,
Weil keine Heimat unsre Spuren hielt,
Nicht Haut, die blau, nicht Haut, die Eis,
Nicht eine Hütte, die aus Holz, nicht
Eine Hütte, die aus Bambus, Schilf und Ton,
Vielleicht die Steppe, wenn in ihr du nackt
Und mutterseelenallein in einen Himmel schreist,
Der doch nur im Gemüt,
Ach, diese Himmel, so unendlich wie ein Ich,
Befreit von Panzer, Drachenschuppen, Fell,
Wir sind in ihnen eingebrochen wie durch
Halbgefrorenes, das unsre bloßen Herzen hüllte,
Wie Wolkgespinst, durch das die Sonne flirrt,
Und wir, Staubkörnchen, die kaum jemand sieht,

Du bist durch diese Tür gegangen,
Wie’n Fisch, der von der Reuse gefangen,
Weiß nicht, wie’s alles angefangen,
Was ist’s, was diese Engel sangen?

Oh, Haß auf die Unfähigkeit, nicht, und doch Meer
Zu sein, o weißes Schlänglein, das durch meine
Adern zieht, ich wende mich und winde mich
In diesem Trichter Sprache, so groß die Lust,
Die in ihn kriecht, so stark der Wachtraum,
Der aus ihm entflieht und um die Schmerzen zieht,
Gelähmt und still geworden wie ein Auge,
Das zuviel sah im Angesicht des Herrn,
Um züngelnd wie ein Atemstoß, der Zunder facht,
Allein zu werden in der Antwort Brise,
Die wahnsinnig vor Liebe tanzen macht,
Das Flämmlein meiner Kerze, während ich
Nach Süßigkeiten mich verzehre, die kein Mund
Je geschmeckt hat, es sei denn im Schlaf,
Der Leben ist, wenn er im Licht blüht das
Nicht ist von dieser Welt, und nicht von jener,
und doch in jeder tiefen Träne,

Du bist durch diese Tür gegangen,
Wie’n Fisch, der von der Reuse gefangen,
Weiß nicht, wie’s alles angefangen,
Was ist’s, was diese Engel sangen?

Kein Tal durchschritten, doch gelitten,
Am schroffen Felsenhang vom Schwindel überwältigt,
Doch geschlossen die Lider beim Aufgang der Sonne,
Mit silbernen Ohren Mondstrahlen aufgesogen,
Doch den Anker der Hoffnung nicht gelöst,
Zartbitter mit einem Haar mich gebunden
An die Echos der unmöglichen Zukunft der Worte,
Die als Schnee geboren und in Sehnsucht verloren,
Doch am wunden Fenster auf Wunder geharrt,
Die kamen, doch anders als gewünscht und gewollt,
Mit rollendem Schweigen im Reigen der Nacht,
Bis wir trunken von Wirrnis in allen Straßen
Nach Zeichen gierten, lauernd wie ein freundlicher
Wolf, den wir mit Perlen, die aus Herzensblut,
Nun füttern, warm angezogen in diesem kalten
Paradies, auf der von Erden abgewandten Seite,
Ein Blick, so stark und klar wie Diamantenkette,

Du bist durch diese Tür gegangen,
Wie’n Fisch, der von der Reuse gefangen,
Weiß nicht, wie’s alles angefangen,
Was ist’s, was diese Engel sangen?
                                                                        Hadayatullah Hübsch

Keine Kommentare: