Mittwoch, 5. September 2012

Mal wieder Stirner

Vor gut zwei Monaten brachte das Feuilleton der SZ den Artikel „Das kann nicht alles meine Sache sein“ mit dem Untertitel „Was meinen eigentlich Reinhold Messner, Werner Kieser und die Selbstoptimierer, wenn sie sich auf den Philosophen Max Stirner berufen?“  Gute Frage. SZ-Autor Burkhard Müller war wohl der Ansicht, daß sich die Antwort auf die Frage beim Lesen des Arti-kels „wie von selbst“ ergibt. * Max Stirner, 1806-1856, taucht immer wieder mal in Feuilletons linksliberaler oder konservativer Blätter auf. Mit seinem Buch „Der Einzige und sein Eigentum“ gilt er als Begründer des Individual-Anarchismus. In meinem Denken ist er der individual-anarchistische Philosoph schlechthin, dessen Formulierungen äußerst radikal, aber auch so weit waren, daß sich immer wieder Menschen unterschiedlichster Herkunft und Sozialisation auf ihn berufen. „Linke“ stehen ihm meist skeptisch gegenüber, weil seine Philosophie für eine Massenbewegung nicht instrumentalisierbar ist. Der SZ-Autor erwähnt, daß auch „der junge Benito Mussolini ihn las“. Ich halte dies nicht für erstaunlich, denn der spätere Faschisten-Führer begann seine Politiker-Laufbahn als linksradikaler Sozialist bzw. Anarchist, der mehrfach von der Polizei verhaftet wurde.  Die Radikalität Stirners dürfte ihn ermuntert haben. Stirner steht bzw. „schwebt“ allerdings über allen „rechten“ und „linken“ Polaritäten, schrieb er doch sein Buch, bevor die heutige parlamentarische Demokratie erfunden wurde. Und erst mit ihr kam, ausgehend von der Sitzordnung der Abgeordneten, der heute gängige Begriff der „Rechten“ und der „Linken“ auf.  * Stirners Buch „Der Einzige und sein Eigentum“  ist Protest gegen Gleichmacherei und Nivellierung, wie sie bereits im 19. Jahrhundert spürbar war – und heute in weitaus extremerer Weise unseren Alltag prägen. Er vertritt, auf abstraktem Niveau –aber durchaus verständlich in seiner Sprache- eine Position des Egoismus und, so meine ich, der Intransigenz (Nicht-Vereinnehmbarkeit). Auf Flachdeutsch gesagt: Stirner propagierte den freien Menschen, der für seine Interessen eintritt und sich nicht vor anderer Leute Karren spannen läßt.  So interpretiere ich Stirner für mich. Ohne den Anspruch zu erheben, daß auch andere ihn so oder so ähnlich sehen sollten.  * Vielleicht bin ich ein „Selbstoptimierer“? Der Ausdruck des SZ-Autors ist „interessant“. – Daß die bekannte Zeichnung (es gibt kein Foto oder Gemälde Stirners) von Friedrich Engels stammt, ist mir neu. Aber gekannt haben sich die beiden, das ist überliefert. Und Karl Marx befasste sich eingehend und superkritisch mit Stirner, der ihm mit seinem philosophisch fundierten Egoismus in die Quere kam.   *R.S.*

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