Montag, 9. Juli 2012

Joachim Ringelnatz: "Als Mariner im Krieg"


Bisher kannte ich nur Gedichte von Ringelnatz , vor allem die „Kuttel Daddeldu“-Lyrik„Als Mariner im Krieg“ ist Prosa, knapp erzählend, in tagebuchartigem Stil. 1914 meldete sich der Dichter als Freiwilliger zur Marine. Er war, wie viele andere Künstler und Schriftsteller, kriegsbegeistert. Außerdem war er sehr abenteuerlustig. Es konnte ihm nicht gefährlich genug zugehen. Er tat Dienst u.a. auf Minensuchbooten, aber er verlegte auch selber Minen, in der Ostsee. Später wurde er Kommandant eines Schiffes. Mehrmals meldete er sich, da der Dienst ihm nicht gefährlich genug war, zu Einsätzen an vorderster Front. Ringelnatz, so scheint mir, führte das Herz auf der Zunge. Seine Prosa ist nicht Hoch- oder Kunstsprache, sondern Alltags-Schreibe eines allerdings nicht alltäglichen Menschen.  Er hatte viele Freunde, ja Verehrer beim Militär, aber auch Gegner und Neider. Kein Wunder bei seinen Fähigkeiten. Auch den Frauen war er sehr zugeneigt.  * Ich finde das Buch  spannend geschrieben und lese es als Selbstzeugnis eines seltenen wenn nicht einmaligen Charakters. Ringelnatz ging bis an seine Grenzen, ja überschritt diese wohl bisweilen. 1918 sympathisierte er mit der deutschen Revolution, stellte sich auf Seiten des Arbeiter- und Soldatenrates, warnte jedoch vor blinder Radikalität. „Aufhetzende Flugschriften wurden verteilt. Schlagworte wie „Gleichheit“ und „Freiheit“ richteten viel Schaden an und verwirrten die Leute. Ich hielt zahllose Reden und machte es zu meiner Aufgabe, Soldaten und Zivilisten, auch blindblöde und stolzdumme Offiziere aufzuklären. ...“ Genauso interessant wie diese Passagen finde ich jene über seinen Aufenthalt in Seeheim bei Cuxhaven, wo er mitten im Krieg ein Terrarium mit Schlangen, Eidechsen und Kröten baute.  Der Mann war bei allem Gerechtigkeits-Sinn, den er stets zeigte, auch anderen Soldaten und seinen Untergebenen gegenüber, zu sehr Individualist, um sich einer nivellierenden, alles „gleich“ machenden Bewegung wie der Revolution mit Haut und Haar zu verschreiben. Dabei war er in manchem Sinn der beste Kämpfer und Genosse. Einer, mit dem man "Pferde stehlen konnte". * So ein Buch hebe ich mir auf, um es später noch einmal zu lesen. - Lieber schlichte und ehrliche, nichts beschönigende Bekennt-nisse wie diese, als unsere ausgefeilte, vor Kultur triefende und am Ende nur langweilige „Hoch“-Literatur. * Das Buch erschien erstmals 1928, dann 1965 als Taschenbuch bei Rowohlt.  *R.S.*   

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