Bisher
kannte ich nur Gedichte von Ringelnatz , vor allem die „Kuttel
Daddeldu“-Lyrik. „Als Mariner im Krieg“ ist Prosa, knapp erzählend, in
tagebuchartigem Stil. 1914 meldete sich der Dichter als Freiwilliger zur
Marine. Er war, wie viele andere Künstler und Schriftsteller,
kriegsbegeistert. Außerdem war er sehr abenteuerlustig. Es konnte ihm nicht
gefährlich genug zugehen. Er tat Dienst u.a. auf Minensuchbooten, aber er
verlegte auch selber Minen, in der Ostsee. Später wurde er Kommandant eines
Schiffes. Mehrmals meldete er sich, da der Dienst ihm nicht gefährlich genug
war, zu Einsätzen an vorderster Front. Ringelnatz,
so scheint mir, führte das Herz auf der Zunge. Seine Prosa ist nicht Hoch-
oder Kunstsprache, sondern Alltags-Schreibe eines allerdings nicht
alltäglichen Menschen. Er hatte viele Freunde, ja Verehrer beim
Militär, aber auch Gegner und Neider. Kein Wunder bei seinen Fähigkeiten. Auch
den Frauen war er sehr zugeneigt. * Ich
finde das Buch spannend geschrieben und lese es als Selbstzeugnis eines seltenen wenn nicht einmaligen Charakters.
Ringelnatz ging bis an seine Grenzen, ja überschritt diese wohl bisweilen. 1918
sympathisierte er mit der deutschen Revolution, stellte sich auf Seiten des
Arbeiter- und Soldatenrates, warnte jedoch vor blinder Radikalität. „Aufhetzende Flugschriften wurden verteilt.
Schlagworte wie „Gleichheit“ und „Freiheit“ richteten viel Schaden an und
verwirrten die Leute. Ich hielt zahllose Reden und machte es zu meiner Aufgabe,
Soldaten und Zivilisten, auch blindblöde und stolzdumme Offiziere aufzuklären.
...“ Genauso interessant wie diese Passagen finde ich jene über seinen
Aufenthalt in Seeheim bei Cuxhaven, wo er mitten im Krieg ein Terrarium mit
Schlangen, Eidechsen und Kröten baute.
Der Mann war bei allem Gerechtigkeits-Sinn, den er stets zeigte, auch
anderen Soldaten und seinen Untergebenen gegenüber, zu sehr Individualist, um
sich einer nivellierenden, alles „gleich“ machenden Bewegung wie der Revolution
mit Haut und Haar zu verschreiben. Dabei war er in manchem Sinn der beste
Kämpfer und Genosse. Einer, mit dem man "Pferde stehlen konnte". * So ein Buch hebe ich mir auf, um es später noch einmal
zu lesen. - Lieber schlichte und ehrliche,
nichts beschönigende Bekennt-nisse wie diese, als unsere ausgefeilte, vor Kultur
triefende und am Ende nur langweilige „Hoch“-Literatur. * Das Buch erschien erstmals 1928, dann 1965 als Taschenbuch bei Rowohlt. *R.S.*
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