Donnerstag, 26. Januar 2012

Chantal (Tagebuch-Notiz)

Nun zeigt es sich wieder, das problematische, häßliche, verstörende, schreckliche, lästige Wilhelms-burg. Monatelang gings aufwärts, die Tagespresse und Wochenblätter waren voller Erfolgs-meldungen, ob IBA, igs, Sprinkenhof AG, Hochtief oder wer auch immer. Es boomt ... – + nun DAS!... Ein 11-jähriges Mädchen stirbt an Methadon, einem Ersatzmittel für harte Drogen. Chantal ist nicht geistig behindert, hat das Mittel also nicht aus Versehen genommen. Oder doch – aus Versehen genommen, weil die Flasche falsch etikettiert war? Oder hat sie das Zeug bewusst genommen, weil der Vater oder die Pflegemutter oder wer auch immer es ihr vormachten? Oder wollte sie sich gar umbringen? Die Zeitungen sind voller Gerüchte und Vorwürfe und Spekulationen. Das Mädchen wollte zu ihrem leiblichen Vater zurück. Abgesehen von der Tragik des Falles: Mir – uns – wird ins Gedächtnis gerufen, mal wieder bewusst gemacht, daß es in diesem Stadtteil Probleme gibt, die gerne unter den Teppich gekehrt werden. Auf den Immobilien-Markt wirken sich solche Horror-Meldungen nämlich nicht gut aus. Kaum findet die Meldung den Weg in die Öffentlichkeit (am 16. Januar wurde Chantal tot gefunden), geht auch schon die Schlamm-Schlacht los. Wer hat SCHULD? Mutter – Stiefvater – Vater? ODER doch eben die Behörde, das Jugendamt. In der BILD Fotos einiger Beteiligter, u.a. der Freund der Stiefmutter, ein ehemaliger Knacki – mit Tätowierungen auf beiden Armen. Sind Männer, die im Gefängnis waren, besonders menschenverachtend oder kinderfeindlich? Ich dachte, diese Klischee-Vorstellung hätten wir hinter uns gelassen. Auch ein Bild von Herrn Schreiber, unserem Bezirksamt-Mitte-Chef, ist zu sehen, wieder mal. Und wieder mal macht der Politiker und Ober-Bürokrat keine gute Figur. Es ist nicht das erste mal in Wil-helmsburg, daß in einer Pflegefamilie ein Kind stirbt. Der Verdacht liegt nahe, daß das Mädchen in die Familie gegeben wurde, weil solch eine Unterbringung wesentlich billiger ist als eine Heim-unterkunft. Und drückten deshalb die Verantwortlichen aus der Behörde ein Auge zu? ... schauten sich deshalb nicht so genau die Frau und den Mann an, in dessen Obhut das Kind gegeben wurde? Immerhin saß eine (leibliche) Tochter der Pflegemutter wegen Drogenschmuggels im Gefängnis und ging –lt. BILD- in St. Georg anschaffen. Wussten die Behörden nichts davon? Oder lügt BILD? *** Jetzt haben wir den Schlamassel. Ein paar Wochen wird der Fall noch für Schlagzeilen sorgen. Dann wird das Tagesgeschäft mit seinen Erfolgsmeldungen „Und wieder wurde ein Bau-Projekt fertig gestellt“ das problematische, häßliche, verstörende und lästige Wilhelmsburg beiseite schieben. *R.S.*

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