Donnerstag, 17. November 2011

Erich Heeder - "wohnungslos ...!?"


2006 erschien bei bod ein Buch des Hamburger Stadtteilkünstlers Erich Heeder, aus dem ich einen Text im Folgenden fast komplett wiedergebe:
"Vor der Tür Hamburg, den 17.12.1995 Die Einsamkeit dringt durch die Betonplatten des Hauses in meine Seele, und Weihnachten steht vor der Tür. Der Horizont ist trist und grau, Nebelschwaden ziehen vorüber, meine Gedanken fliegen durch die Zeit und diese Stadt. Die untergehende Sonne lässt es langsam dunkel werden, meine Flurtüre steht weit offen, es ist Zeit zu gehen! Fliehend verlasse ich den Raum, um die fressende Einsamkeit nicht ertragen zu müssen. Die Mondsichel zerschneidet und durchsticht das Grün der Fenstervorhänge. Meine Schritte finden im Geklapper der dumpfen Töne im Flur kaum Halt, treten in das Leere der Nichtbegegnung. Ich weiß kaum, wie es 1994 war, 1993 lag ich ja im Hafenkrankenhaus, wie wird es 1995 und wie 1996? Niemand ist aus den Augenwinkeln zu sehen, meine Blicke schweifen weiter durch die Leere des Raumes meiner Kinder, denn sie sind fort. Hände greifen ins Leere, die kleinen Körper sind nicht mehr hier, niemand kommt mir entgegengelaufen. Keiner mehr da, der sich mit mir unterhält, ich weiß nicht, wohin mit meinen Gedanken.
Gefühle bleiben im Verborgenen, keiner da, der sie entgegennimmt. Meine Schritte stapfen durch die Leere der Straßen, noch sieben Tage bis Weihnachten! Mein Innerstes ist bis zur Sentimentalität hin zerrissen, ich weiß nicht, wohin mit dieser Einsamkeit. Meine Seele würde das gerne ändern, aber welche Wege müsste ich dafür gehen? Hausieren gehen kann ich ja wohl kaum mit meinem Anliegen, obwohl ich das vielleicht sogar machen sollte. Denn diese Gedanken sind auch ohne Weihnachten präsent, und ich kenne viele Menschen und sie kennen mich, aber keine/r redet über seine/ihre Einsamkeit. Wie stoßen wir die Tür aus der Ein-samkeit in die Gemeinschaft auf? Ich weiß, daß wir es könnten, aber wer macht den Anfang? Viele würden gern ihre Einsamkeit durchbrechen, und ich bin auch noch einer, der es niederschreibt. Ich jammere zwar, aber wie gehen wir sonst damit um? Das Aufschreiben allein reicht natürlich nicht, aber es hilft wenigstens etwas. Uns Menschen fehlt das vertrauensvolle Verhältnis zueinander, um damit richtig umgehen zu können. Das Reden untereinander fehlt, obwohl ich ein Mensch bin, der fremde Menschen anspricht. Die Trauer muss einfach raus, sonst frisst einen die Einsamkeit auf, und allein ist sie schon schlimm genug. Viele gehen irgendwohin, um nicht mehr einsam zu sein, aber so einer bin ich leider nicht. Ins Kino gehe ich, in die Kneipe gehe ich nie, keine Disco, ab und zu ins Theater, ins Museum sowieso, wo sollte ich sonst unter Menschen kommen? Da begegnet sich dann Mann/Frau, aber sie reden nicht über das, was sie bewegt, sondern laufen auseinander mit dem nicht Gesagten. Und wurden nie mehr gesehen... !
--Mir gefällt dieser philosophische Text, der literarisch nicht ausgefeilt ist. Der Autor formuliert, sehr uneitel, Vorstellungen und Gedanken, die viele haben, auch ich zum Teil, in einer ziemlich ungeschliffenen Sprache. Das macht seine Stärke aus. Eine gewisse Grobheit-- Die Zeichnung auf dem Cover stammt von C.C.Parise. isbn 3-8334-4879-2 110 S. *R.S.*

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